#01 Trainingstipps vom Bundesheer: Freund/Feind-Szenarien und Feuerkampfentfernungen

Schießausbilder beim Training

Author: Vizeleutnant Gerald Weihs (Hauptlehrunteroffizier und Schießausbilder an der HUAk in Enns)

Die Schießausbildung im Österreichischen Bundesheer hat in den letzten 15 Jahren einen bedeutenden Wandel durchlaufen. Aus dem vormaligen Feuerkampf aus Stellungen, angelehnt an die erwartete Bedrohungslage im Kalten Krieg wurde ein dynamisches Schießprogramm mit hohem Anspruch an die Fertigkeiten des Schützen.

Dieser Wandel bringt ganz neue Herausforderungen in der Schießausbildung mit sich, denen sich dieser Artikel widmet. Auf den ersten Blick haben die Trainingsansätze zwar einen militärischen Hintergrund, lassen sich aber auch auf ziviles Training übertragen. 

Generell sind wir in der Schießausbildung und in einem potentiellen militärischen Konflikt durch folgende Rahmenbedingungen herausgefordert:

Herausforderung 1:
Das Fehlen einer klassischen Freund-Feindtrennung

Oftmalig sind verschiedene Akteure in einer Gefechtshandlung verwickelt. Der Bogen spannt sich dabei von regulären Soldaten (Streitkräfte eines Staats) über Söldner (z.B. „Gruppe Wagner“), Angehörige einer Terrororganisation bis zu Zivilisten, die selbstverständlich zu schonen sind.

So trainieren wir:

Um die Schützen darauf vorzubereiten, arbeiten wir nach Absolvierung des Basistrainings und der Grundschießfertigkeit mit personifizierten Scheiben. Sie erlauben eine Vielzahl an Freund-Feind-Darstellungen und zwingen somit den Schützen immer wieder dazu, sich bewusst für oder gegen eine Schussabgabe zu entscheiden.

Bild zeigt personifizierte Zielscheibe Geiselnahme Personifizierte Zielscheibe Freund/Feind

Entscheidend ist es in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen zu trainieren. Neben dem beschriebenen Scheibeneinsatz trainieren wir auch in sogenannten Wahrnehmungsparcours, die mit unterschiedlichen gefährlichen Gegenständen präpariert sind und die Trainierenden zur Aufmerksamkeit und vor allem Kommunikation im Team zwingen.

Bild zeigt aufgebauten Wahrnehmungsparcours in Trainingshalle der HUAk

 

Eine sehr einfache aber zweckmäßige Übung stellt in diesem Kontext die in der MANTISX-App verfügbare „Shoot - No Shoot“ Übung dar:

Bild zeigt MantisX-App Shoot - No Shoot Ansicht

Je nach Farbdarstellung am Screen des Smartphones muss/darf der Schütze schießen bzw. nicht schießen. Neben der präzisen Abzugsarbeit muss vor allem richtig reagiert werden.

Eine Erweiterung dieser Übung um individuelle Einstellungsmöglichkeiten (Farbe, Zeit, Bedingungen) wäre wünschenswert.

(Anmerkung von uns - reproo: Diesen Wunsch haben wir gerne an den Produzenten Mantis USA weitergeleitet.)

Herausforderung 2:
Die Notwendigkeit, den Feuerkampf auf unterschiedliche Entfernungen zu führen

Unterschiedliches Gelände in Einsatzräumen führt zu unterschiedlichen Feuerkampfentfernungen. Konfliktszenarien beinhalten

  • "Kampf in der Stadt" (Feuerkampf unter 100 Meter) versus beispielsweise
  • "Kampf in der Wüste" (Feuerkampf 150 bis mehrere hundert Meter).

Letzteres Beispiel zeigte im arabisch-israelischen Konflikt eine Trefferwahrscheinlichkeit von 60 % bei einer Zielentfernung von 200m.

Nach der Umstellung des heeresinternen Schießprogramms für Sturmgewehr und Pistole im Jahr 2008 zeigte sich, dass die Schützen teilweise verlernt hatten den Feuerkampf auf nahe Entfernung von 100 bis 300 Meter zu führen. Tatsächlich werden 75% der Übungen die das Programm für das Sturmgewehr vorsieht auf eine Maximalentfernung von 50 Metern geschossen.

So trainieren wir:

Das regelmäßige Scharfschießen sieht daher Gefechtsübungen auf Distanzen von 20 bis zumindest 300 Meter vor. Neben den unterschiedlichen Entfernungen wird auch die entsprechende Schießart geübt, der Schnellschuss (gezielter Schuss unter Zeitdruck meist im freien Anschlag) und der Präzisionsschuss (gezielter Schuss ohne Zeitdruck mit möglichst vielen Auflagepunkten).

Um die Schützen gewissermaßen zum Präzisionsschuss zu „zwingen“, arbeite ich in der Ausbildung sehr gerne mit der Methode Wettkampf. Dazu nutze ich das Simulationssystem MANTIS LASER ACADEMY in Verbindung mit der Ringscheibe und der App-Übung „Open Shooting - Single Target“. Nach drei Probeschüssen folgen zehn Wertungsschüsse mit einer höchstmöglichen Punktezahl von 100. Gewinnen wird den Wettkampf erfahrungsgemäß der Schütze, der den Präzisionsschuss in dieser Situation am besten umsetzen kann. Fortgeschrittene Schützen dürfen dann die „Advanced Version“ mit einer modifizierten „Geiselnahme-Scheibe“ schießen (siehe Bild 2).

Bild zeigt Zielscheibe für Geiselnahmen-Training

Darüber hinaus lehren wir die Schützen auch ein grundsätzliches Verständnis für die Außenballistik des Geschosses. Dies ist vor allem in Verbindung mit dem montierten optischen bzw. mechanischen Visier (Unterschied Zielfernrohrhöhe zu Laufachse 7 Zentimeter) von entscheidender Bedeutung, da es auf kurzer Zielentfernung unter 50 Meter oftmalig einer Verlegung des Haltepunkts bedarf. Der Haltepunkt ist der Punkt auf den das Visier gerichtet sein muss, um das Ziel zu treffen.

Auf dem „Advanced-Level“ und vor allem in Verbindung mit dem im Zulauf befindlichen modifizierten Sturmgewehr 77 A1 trainieren wir auch den Feuerkampf auf Zielentfernungen („Niederhaltefeuer) von 300 bis 600 Meter. Dazu aber mehr in einem der nächsten Artikel.

Im zweiten Teil der Blogserie möchte ich mich mit allgemeinen Regeln beschäftigen, die jeder Waffenträger nicht nur verstehen, sondern tatsächlich auch anwenden muss. Sobald dieser erscheinen ist verlinken wir ihn in der Übersicht!

Du hast Fragen, die bisher unbeantwortet geblieben sind? Schreibe uns doch gern in den Kommentaren, was Dich interessiert aber auch wie Deine Erfahrungen sind.

Vielleicht hast Du aber auch Tipps die du unserer Community gerne mitteilen möchtest? - Immer her damit!

In diesem Sinne - Train Hard, but Smart! 

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